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Mal verliert man, mal gewinnen die Anderen

oder:
Wie die Freihandelspolitik der Industriestaaten und die erzwungene Migration zusammenhängen

Für hunderte Millionen Menschen ist das kein flotter Spruch, kein lustiger Versprecher, sondern ihr täglich Brot.

Durch Kriege wurden in den vergangenen Jahren viele Länder zu failed states. Irak wurde durch einen Angriffskrieg der USA zerstört. Libyen, Syrien, Teile Ex-Jugoslawiens: Länder in denen ein Leben in Sicherheit und Würde ebenfalls nicht mehr möglich ist. Im Norden Nigerias wütet Boko Haram.

Aber es braucht keinen Krieg, um Umstände zu schaffen, die Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat zwingen.

Seit Jahrzehnten versuchen EU, USA und andere Industrienationen weltweit ihre neoliberale Politik durchzusetzen. Die WTO Verhandlungen dazu sind seit 2001 regelmäßig gescheitert. Die weniger entwickelten Staaten wissen sehr wohl, dass weitere Liberalisierungen für sie eine Gefahr darstellen.(1)

Trotzdem versucht auch Deutschland immer noch, diese Politik als Vorteil für die Entwicklungsländer zu verkaufen.(2)

Während Schwellenländer sich also sträubten, machten sich die Industrienationen daran, die Welt mit einem Netz von bi- und multinationalen Handelsabkommen zu überziehen. Je stärker die beteiligten Staaten, umso größer die Gefahr für den Rest der Welt, marginalisiert zu werden und sich letztlich dem neoliberalen Regime unterwerfen zu müssen.

Für TTIP errechnete das Ifo Institut, dass z.B. die Elfenbeinküste 6,4 und Guinea bis zu 7,4 % ihres Bruttoinlandsproduktes verlieren würden.(3) Es wird ja auch gar nicht verschwiegen, dass es darum geht, unsere Interessen als Exportnation zu wahren.

Parallel zu den Auswirkungen eines Abkommens, an dem sie nicht einmal beteiligt sind, sehen sich derzeit aber viele arme Staaten auch durch die EPAs (economic partnership agreements) unter Druck gesetzt. Durch diese werden z.B. afrikanische Staaten gezwungen, ihre Märkte für europäische Produkte komplett frei zu geben. Unterzeichnen sie nicht, erhebt Europa Zölle, die ihre Produkte hier nicht mehr absetzbar machen. Kenia gab nach und unterschrieb, als z.B. die Bohnenernte in den Lagerhäusern zu verschimmeln drohte.

Statt ihre schwachen Ökonomien schützen zu können, müssen sich die Länder des globalen Südens einer gnadenlosen internationalen Konkurrenz aussetzen. Diese macht auch vor der Landwirtschaft und Fischerei nicht Halt.

Durch hochsubventionierte Lebensmittel aus Europas industrieller Landwirtschaft werden bäuerliche Betriebe in Afrika zerstört, da diese dem Preiskampf nicht gewachsen sind. Das ist kein neues Phänomen, wird sich aber durch die Ratifizierung der EPAs verstärken. Sieht so die vielbeschworene Hilfe zur Selbsthilfe aus?

Schwimmende Fischfabriken aus Europa, fangen afrikanischen Fischern ihre Lebensgrundlage weg. Internationale Konzerne beuten im Verein mit korrupten lokalen „Eliten“ den reichsten Kontinent rücksichtslos aus. Das Fundament dieser Arbeitsweise wurde schon zu Kolonialzeiten gelegt. Freihandelsabkommen sichern für die Profiteure das Fortbestehen des Modells. Allein die Anhebung des Mindestlohns von 41 auf 72 € in Ägypten hat Veolia zur Klage vor einem Schiedstribunal veranlasst.(4)

Regelungen zum „Geistigen Eigentum“ haben schon dazu geführt, dass Bauern die traditionelle Form der Saatgutgewinnung verboten wurde.(5) Damit sind sie gezwungen, das teure Saatgut internationaler Konzerne und die dafür notwendigen Pestizide zu kaufen. Die Sortenvielfalt geht verloren, steigende Kosten treiben Bauern in die Städte, die ihnen auch kein Auskommen bieten. In Indien z.B. ist eine bestürzende Zahl von Selbstmorden eine der Folgen.

Beflügelt durch den „Schutz“ ihrer „Investition“ in zahlreichen Abkommen, sichern sich internationale Konzerne wertvolles Ackerland, von dem die Bauern vielfach entschädigungslos vertrieben werden.

Was tun Sie, wenn sie für sich keine Zukunft mehr sehen, keine Sicherheit für ihre Familie, keine Bildung für Ihre Kinder, kein Leben in Würde? Wenn Sie in einem Land leben, dass zuerst von seinen Kolonialherren ausgebeutet wurde, dann durch eine Minderheit, die durch ihre Kooperation mit den Kolonialherren mächtig wurde und immer durch übermächtige ausländische Konzerne, die keine Arbeitsnormen einhalten müssen, die sich um Umweltschutz und Sozialleistungen nicht scheren und deren Geschäftsmodell durch „Freihandelsabkommen“ auf ewig abgesichert wird?

Können Sie sich vorstellen so verzweifelt zu sein, dass sie eher eine lebensgefährliche Flucht auf sich nehmen, als zuhause zu bleiben?

Europa hat kein Problem mit den Flüchtlingen! Die Flüchtlinge haben ein Problem mit den Regeln die Europa und die USA für sie vorgesehen haben. Regeln, die ihnen ein menschenwürdiges Leben verwehren.

Stoppen wir nicht nur TTIP, CETA und TISA - Abkommen die auch uns bedrohen. Kämpfen wir gegen Freihandel und neoliberale Politik weltweit! Vielleicht brauchen wir Handel. Bestimmt aber brauchen wir keinen „Freihandel“!

1. Ulrike Herrmann - Freihandel Projekt der Mächtigen, Rosa-Luxemburg-Stiftung, 2014

2. BMWi - Stand der WTO-Welthandelsrunde (Doha Development Agenda - DDA), Stand 2/2012

3.  Felbermayer für Bertelsmann Stiftung - Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (THIP) - Wem nutzt ein transatlantisches Freihandelsabkommen?

4. Le monde diplomatique, 12.6.14 - Profit als höchstes Rechtsgut

5. Victoria Solano - „9.70 documentary", https://www.youtube.com/watch?v=TkQ8U2kHAbI

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