"Wie weiter mit CETA, TTIP und Co" - Infoveranstaltung vom 19.01.2023
Zusammenfassung der Veranstaltung "Wie weiter mit CETA, TTIP und Co" vom 19.01.2023 in Cottbus
für die Teilnehmer und alle anderen am Thema Interessierten. Die Punkte spiegeln den Inhalt des Vortrages und die Ergebnisse der anschließenden Diskussion wider.
Investitionsschutz in CETA als Blaupause
Der Investitionsschutz in CETA würde als Blaupause für viele andere Handelsabkommen dienen, die derzeit in den Startlöchern stehen. Er enthielte erstmals ein umfassendes Schiedsgerichtssystem innerhalb eines Handelsvertrages zwischen der EU und einer anderen Industrienation, mit dessen Hilfe Unternehmen Staaten auf Milliarden verklagen können. (Die Energiecharta, aus der Deutschland mit guten Grund jetzt ausgetreten ist, war nur auf eine Branche bezogen.)
Die Grundlage für mögliche Klagen böten ungenaue Rechtsbegriffe wie "indirekte Enteignung" und "gerechte und billige Behandlung". Aber auch die "normale" Entschädigung bei direkter Enteignung innerhalb von CETA wäre für die einzelnen Staaten hochgefährlich, da Entschädigungshöhen durch Schiedsgerichtssprüche zumeist die von nationalen Gerichten um ein Vielfaches übersteigen. So kennt z.B. das dt. Grundgesetz in diesem Zusammenhang ein Abwegen zwischen den Interessen des Gemeinwohls und des Investors. Auch werden keine entgangenen zukünftigen Gewinne berücksichtigt. Des weiteren kommen die Richter nicht einseitig aus dem Wirtschafts- / Investorenrecht und werden fallunabhängig bezahlt. Dies wäre alles beim CETA-Schiedsgericht nicht gegeben.
Weitere noch existierende Knackpunkte:
- Keine parlamentarische Kontrolle der intransparenten CETA-Ausschüsse, die den Vertrag weiterentwickeln können.
- Das Pariser Klimaabkommen und die Nachhaltigkeitskapitel sind nicht einklagbar.
- Das europäische Vorsorgeprinzip ist nicht horizontal abgesichert.
Vor allem die Grünen sind bzw. waren hier in der Bringepflicht. All diese Punkte wollten sie zum positiven abändern und haben dies auch zum Teil als Bedingung für ihr "Ja" einer Ratifizierung gemacht (siehe Quellen weiter unten). Leider wurde noch kein Punkt wirklich umgesetzt, obwohl im Dezember 2022 CETA mit den Stimmen der Grünen (bei 3 Nein-Stimmen) im Bundestag durchgewunken wurde.
Statt zu resignieren, gilt es weiter zu kämpfen. Ohne den Widerstand wären beispielsweise die Schiedsgerichte noch gefährlicher (weiterhin tagen im Geheimen, keine Berufungsinstanz, kein ständiges Gericht) und auch die Interpretationserklärung, so sie denn noch beschlossen wird, wäre nicht ganz umsonst. Die ungenauen Rechtsbegriffe wie "indirekte Enteignung" und "gerechte und billige Behandlung" wären, entgegen den Behauptungen, zwar nicht weitestgehend beseitigt. Es käme aber zu einer klaren Eingrenzung der Formulierung "Enttäuschung vernünftiger Erwartungen", die als Begründung für eine Klage auf Grundlage einer indirekten Enteignung bisher herangezogen werden konnte. Nun kämen dies nur in Verbindung einer schriftlichen Erklärung / Zusicherung durch die zuständige Behörde zum Tragen. Des weiteren wird insgesamt dem Klimaschutz mehr Bedeutung eingeräumt, wenn auch nach wie vor nicht einklagbar.
Der Widerstand muss also auf zwei Ebenen weitergehen:
1. Allgemein den Freihandel in seiner jetzigen Prägung in Frage stellen.
2. Punktuell den Finger in die Wunde legen. U.a. die Grünen und die Ampel an ihre Worte in Bezug auf CETA und auf zukünftige Freihandelsabkommen erinnern (siehe Quellen weiter unten). Sonst würden wir es ihnen auch zu einfach machen!
Rückfragen und Anmerkungen bitte an Frank Steudel frank.steudel@gmx.de
Nachtrag:
Mögliche Folgen von CETA etc. an Hand von Beispielen in Brandenburg:
1. TESLA hat vom Land Brandenburg eine Zusicherung von 1,4 Millionen Kubikmeter Wasser / Jahr. Das macht ein Zehntel der Fördermenge des Wasserverbandes Straußberg / Erkner aus. Privathaushalten wurde in der Gegend schon wegen der Wasserknappheit der Verbrauch rationiert. Wenn sich nun des Land Brandenburg genötigt fühlt, in Zukunft bei gewerblichen Unternehmen den Wasserverbrauch ebenso weiter einzuschränken, könnte TESLA auf Grundlage einer "indirekten Enteignung" oder einer Zuwiderhandlung der "gerechten und billigen Behandlung" Klage erheben und auf eine äußerst hohe Entschädigungszahlung hoffen. Sie könnten argumentieren, dass diese Maßnahme ihren "nachvollziehbaren Erwartungen auf Grund einer schriftlichen Zusicherung" zuwiderlaufen würde. Für diese Klagen über CETA bräuchte TESLA als amerikanisches Unternehmen allerdings eine substanzielle Niederlassung in Kanada. Elon Musk hat mit diesem Gedanken aber schon gespielt. Wenn TTIP 2.0. kommen sollte - und dies wird im Fall der Ratifizierung von CETA wahrscheinlicher, Kanzleramt und Finanzministerium plädieren offen schon wieder dafür, bräuchte er diese aber nicht einmal. Sollte TESLA selber nach Grundwasser in Zukunft bohren dürfen, käme dies einer stärker geschützten Investition in Form einer Konzession gleich und könnte im Nachhinein noch schlechter unterbunden werden bzw.. würde zu noch höheren Entschädigungszahlungen führen.
2. Das kanadische Unternehmen Rock Tech Lithium wird demnächst seine Standort in Guben eröffnen. Es besitzt eine Zusicherung von 240000 Kubikmeter Wasser / Jahr. Es könnte bei Reduzierung dieser Menge sofort über CETA Klage einreichen. Einem deutschen Konkurrenzunternehemen stände dieser Weg dagegen nicht zur Verfügung.
3. Das amerikanische Immobilienunternehmen Blackstone besitzt ca. 3500 Wohnungen in Berlin und eine (mir unbekannte) Anzahl in Brandenburg. Es möchte in Zukunft seine Investitionen in dieser Gegend weiter ausbauen. Dieses Unternehmen ist schon in Kiel in der Vergangenheit als "Immobilienheuschrecke" negativ aufgefallen. Sollte es in Brandenburg in Zukunft eine ähnliche Initiative wie "Deutsche Wohnen enteignen" geben, könnte es bei der Entschädigung dieses Unternehmens bzw. durch zusätzliche Schadensersatzforderungen noch um einiges teurer als ohnehin werden. Möglicherweise nimmt man dann aus diesem Grund von solchen Enteignungen von vornherein Abstand (regulatory chill). Klagen könnte Blackstone wahrscheinlich schon mit Hilfe von CETA, da es 2022 eine Niederlassung in Toronto eröffnet hat. Über TTIP 2.0. wäre dies dann ohnehin möglich.
Quellen:
Lisa Paus (damalige Spitzenkandidatin der Grünen in Berlin für die Bundestagswahl und jetzige Bundesfamilienministerin) zu den "klaren Roten Linien" ihrer Partei auf einer Online-Veranstaltung von Attac Berlin im Wahlkampfjahr 2021:
https://m.youtube.com/watch?v=fIAc58RVe1E
Wahlprogramm der Grünen zur Bundestagswahl 2021, S. 79 - 81:
https://www.gruene.de/artikel/wahlprogramm-zur-bundestagswahl-2021
Handelsagenda der Ampel 06/2022, beinhaltet u.a. auch die Eingrenzung ungenauer Rechtsbegriffe und die Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle (S. 2,3):
https://www.gruene-bundestag.de/themen/wirtschaft/fuer-eine-moderne-und-nachhaltigere-handelspolitik
Stellungnahme von Frau Dr. Violi zur Interpretationserklärung:
https://christian-leye.de/2022/10/13/expertin-bestaetigt-ceta-laesst-sich-nicht-retten/